Effektives Eigentraining bei Dysphagie: Warum häufiges Üben den Therapieerfolg steigert
- Nora Eiermann

- 28. Feb.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Sept.

Was ist eine Dysphagie?
Dysphagie bezeichnet eine Schluckstörung, die das Essen, Trinken und auch das Schlucken von Speichel erschweren kann. Die Ursachen sind vielfältig: Häufig tritt eine Schluckstörung bei neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise Schlaganfällen, Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose auf. Auch onkologische Erkrankungen, insbesondere Tumore im Kopf-Hals-Bereich und deren Behandlung durch Operation oder Bestrahlung, können eine Dysphagie verursachen. Daneben gibt es noch weitere Gründe für das Entstehen einer Dysphagie, bspw. nach längerer Beatmung oder im Rahmen einer Refluxkrankheit.
Grundsätzlich ist bei einer Dysphagie das hochkomplexe Zusammenspiel der am Schluckvorgang beteiligten Strukturen, Nerven und Muskelgruppen beeinträchtigt. Der Schluckvorgang lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Eine Dysphagie kann Auswirkungen auf einzelne Schluckphasen haben, häufig ist allerdings durch die anatomischen, sensorischen und neuromuskulären Zusammenhänge der gesamte Schluckvorgang beeinträchtigt.
Typische Symptome einer Dysphagie:
Die Symptome einer Dysphagie sind vielfältig und können verschiedene Aspekte des Schluckvorgangs betreffen.
Betroffene berichten häufig oft von:
häufigem Verschlucken oder Husten beim Essen und Trinken
dem Gefühl, dass Speisen oder Getränke im Hals steckenbleiben
Schwierigkeiten beim Kauen
unfreiwilligem Gewichtsverlust durch mangelnde Nahrungsaufnahme
veränderter Stimme oder "Rasseln" nach dem Schlucken
wiederkehrenden Lungenentzündungen durch Aspiration (Eindringen von Nahrung oder Flüssigkeit in die Atemwege)
Eine Dysphagie kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen und birgt gesundheitliche Folgerisiken. Eine gezielte Therapie ist daher essenziell.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Dysphagien werden in erster Linie von Logopäd*innen/Sprachtherapeut*innen behandelt. Abhängig von der Ursache, der Symptomatik und dem Schweregrad der Schluckstörung kommen verschiedene Therapieansätze zum Einsatz:
Aktive Übungen: Diese zielen darauf ab, die Schluckmuskulatur und einzelne Muskelgruppen als Grundlage für den gesamten Schluckvorgang gezielt zu trainieren und Kraft, Koordination und Bewegungsausmaß zu verbessern. Therapeut*innen leiten individuell angepasste Übungen an, die regelmäßig durchgeführt werden sollten.
Passive Verfahren: Bei schweren Schluckstörungen und auch mit der Dysphagie einhergehenden Sensibilitätsstörungen können elektrische Stimulation, manuelle Techniken oder thermische Reize eingesetzt werden, um die Sensibilität und Muskelaktivität zu beeinflussen.
Biofeedback-Verfahren: Mittels bildgebender oder akustischer Rückmeldesysteme können Patient*innen ihre Muskelaktivität, Kraft und Bewegungsauslenkung verfolgen und mit therapeutischer Begleitung gezielt steuern.
Kompensatorische und Adaptive Techniken: Hierzu gehören Haltungskorrekturen, spezielle Schlucktechniken und auch Modifikationen der Nahrungskonsistenz sowie die Auswahl geeigneter Hilfsmittel, um das Risiko einer Aspiration zu reduzieren und ein sicheres und effektives Schlucken zu ermöglichen.
Medikamentöse Therapie: In manchen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, etwa zur Reduktion von Speichelfluss oder zur Behandlung zugrunde liegender neurologischer Erkrankungen. Dies erfolgt immer in Abstimmung mit den behandelnden Ärzt*innen und Pharmakolog*innen.
Aktives funktionelles Training
Warum ist ein hochfrequentes Muskeltraining entscheidend?
Der Schluckakt ist ein komplexer Vorgang, bei dem viele Muskeln fein aufeinander abgestimmt arbeiten. Wie bei anderen muskuloskeletalen Funktionen gilt auch hier: Wer trainiert, bleibt leistungsfähig.
Wenn für den individuellen Symptomkomplex und Schweregrad einer Dypshagie primär aktive funktionelle Übungen geeignet sind (was bei dem Großteil der Dysphagien der Fall ist), ist die Qualität und Quanität der Übungsbehandlung mitentscheidend für den Therapieerfolg.
Insbesondere bei neurologischen Grunderkrankungen kann eine hohe Übungsintensität helfen, die verbliebenen Funktionen zu stärken, verloren geglaubte Fähigkeiten (teilweise) wiederzuerlangen und im Sinne der Neuroplastizität Bewegungsabläufe neu aufzubauen. Studien zeigen, dass intensives, regelmäßiges Training zu besseren Ergebnissen führt als gelegentliche Therapieeinheiten.
Die Realität sieht jedoch oft anders aus: Logopädische Therapie findet in vielen Fällen nur ein- bis zweimal pro Woche statt. Das reicht nicht aus, um die Muskulatur adäquat zu trainieren und Bewegungsabläufe nachhaltig zu festigen. Insbesondere da im Rahmen der Präsenztherapie nicht nur eine reine Übungsbehandlung durchgeführt werden sollte, sondern auch eine intensive und alltagsbegleitende Beratung der Betroffenen und deren Angehörigen wichtig ist, sowie eventuell weitere stimulierende Therapieverfahren eingesetzt werden, kann in den Präsenzsitzungen kein ausreichend intensives Muskeltraining stattfinden. Hier kommt das Eigentraining ins Spiel.
Wie oft sollten Übungen durchgeführt werden?
Idealerweise - auch hier wieder in Abhängigkeit der individuellen Symptomatik, der Schwere der Dysphagie sowie dem Stand der Therapie - sollten Betroffene täglich Übungen zur Kräftigung der Schluckmuskulatur durchführen. So kann effektives motorisches Lernen stattfinden. Schon kurze, aber regelmäßige Einheiten können große Fortschritte ermöglichen. Auch bei schweren Dypshagien und stark eingschränkten motorischen Funktionen bieten gezielte Übungssequenzen einen echten Mehrwert.
Wichtig ist, dass die Übungen individuell an das jeweilige Störungsbild angepasst sind und korrekt und sicher ausgeführt werden. Eine enge therapeutische Anleitung und Begleitung ist erforderlich, um fortlaufend ein optimales Eigentraining zu ermöglichen.
Welche Vorteile bietet regelmäßiges Eigentraining?
Verbesserung der Schluckfunktion durch gezielte und intensive Kräftigung schluckrelevanter Muskelgruppen
Reduktion des Risikos für Aspiration und Lungenentzündungen
Erhalt der Selbständigkeit beim Essen und Trinken
Mehr Lebensqualität durch genussvollere Mahlzeiten
Schnellere Fortschritte und positive Beeinflussung des Rehabilitationsverlaufs
Selbstwirksamkeit - einen signifikanten eigenen Beitrag zum Behandlungserfolg zu leisten, kann sich wiederum positiv auf die Übungsmotivation und die weitere Rehabilitation auswirken
Fazit
Wer einer Dysphagie aktiv begegnen will, sollte die eigene Therapie nicht nur auf die wenigen Stunden Präsenzbehandlung in der Praxis beschränken. Tägliches, gezieltes und therapeutisch begleitetes Eigentraining ist der Schlüssel zu nachhaltigen Verbesserungen. Regelmäßigkeit, Intensität und Passgenauigkeit der durchgeführten Übungen sind entscheidend, um die relevante Muskulatur zu stärken, die Schluckfunktion wiederherzustellen und zu verbessern und die Sicherheit sowie die Freude beim Schlucken zu erhöhen.
Die App "phagifit" wurde aus der therapeutischen Praxis heraus entwickelt, um das gezielte Eigentraining von Dysphagiepatient*innen zu fördern.
Die App wird gemeinsam von Therapeut*in und Patient*in, ergänzend zur Präsenzbehandlung, genutzt. Die therapeutische Fachkraft kann regelmäßig individuell geeignete Übungsvideos (angelehnt an den Übungskanon der Funktionellen Dysphagietherapie) für die Patient*innen freischalten. Diese werden automatisiert an das tägliche Üben erinnert, können die praxisnahen und anschaulichen Übungsvideos zuhause abspielen und die Übungen parallel dazu umsetzen. So wird die therapeutische Interaktion in das häusliche Setting übertragen.
Neben Übungsvideos enthält die App auch ebenfalls individuell freischaltbare Ernährungsempfehlungen sowie allgemeine Hintergrundinformationen und Tipps zum alltäglichen Umgang mit der Dysphagie für Patient*innen und Angehörige.
Weitere Informationen zur App phagifit finden sich auf den jeweiligen Unterseiten dieser Website (www.phagifit.de).







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